Lieblich war die Maiennacht,
Silberwölklein flogen,
Ob der holden Frühlingspracht
Freudig hingezogen.
Schlummernd lagen Wies’ und Hain, 5
Jeder Pfad verlassen;
Niemand als der Mondenschein
Wachte auf der Straßen.
Leise nur das Lüftchen sprach,
Und es zog gelinder 10
Durch das stille Schlafgemach
All der Frühlingskinder.
Heimlich nur das Bächlein schlich,
Denn der Blüten Träume
Dufteten gar wonniglich 15
Durch die stillen Räume.
Rauher war mein Postillion,
Ließ die Geißel knallen,
Uber Berg und Tal davon
Frisch sein Horn erschallen. 20
Und von flinken Rossen vier
Scholl der Hufe Schlagen,
Die durchs blühende Revier
Trabten mit Behagen.
Wald und Flur im schnellen Zug 25
Kaum gegrüßt–gemieden;
Und vorbei, wie Traumesflug,
Schwand der Dörfer Frieden.
Mitten in dem Maienglück
Lag ein Kirchhof innen, 30
Der den raschen Wanderblick
Hielt zu ernstem Sinnen.
Hingelehnt an Bergesrand
War die bleiche Mauer,
Und das Kreuzbild Gottes stand 35
Hoch, in stummer Trauer.
Schwager ritt aus seiner Bahn
Stiller jetzt und trüber;
Und die Rosse hielt er an,
Sah zum Kreuz hinüber: 40
“Halten muß hier Roß und Rad,
Mag’s Euch nicht gefährden;
Drüben liegt mein Kamerad
In der kühlen Erden!
“Ein gar herzlieber Gesell! 45
Herr, ‘s ist ewig schade!
Keiner blies das Horn so hell,
Wie mein Kamerade!
“Hier ich immer halten muß,
Dem dort unterm Rasen 50
Zum getreuen Brudergruß
Sein Leiblied zu blasen!”
Und dem Kirchhof sandt’ er zu
Frohe Wandersänge,
Daß es in die Grabesruh’ 55
Seinem Bruder dränge.
Und des Hornes heller Ton
Klang vom Berge wieder,
Ob der tote Postillion
Stimmt’ in seine Lieder.– 60
Weiter ging’s durch Feld und Hag
Mit verhängtem Zügel;
Lang mir noch im Ohre lag
Jener Klang vom Hügel.
Ich trat in einen heilig düstern
Eichwald, da hört’ ich leis’ und lind
Ein Bächlein unter Blumen flüstern,
Wie das Gebet von einem Kind;
Und mich ergriff ein süßes Grauen, 5
Es rauscht’ der Wald geheimnisvoll,
Als möcht’ er mir was anvertrauen,
Das noch mein Herz nicht wissen soll;
Als möcht’ er heimlich mir entdecken,
Was Gottes Liebe sinnt und will: 10
Doch schien er plötzlich zu erschrecken
Vor Gottes Näh’–und wurde still.
Auf dem Teich, dem regungslosen,
Weilt des Mondes holder Glanz,
Flechtend seine bleichen Rosen
In des Schilfes grünen Kranz.
Hirsche wandeln dort am Hügel, 5
Blicken in die Nacht empor;
Manchmal regt sich das Geflügel
Träumerisch im tiefen Rohr.
Weinend muß mein Blick sich senken;
Durch die tiefste Seele geht 10
Mir ein süßes Deingedenken
Wie ein stilles Nachtgebet!
Weil’ auf mir, du dunkles Auge,
Übe deine ganze Macht,
Ernste, milde, träumerische,
Unergründlich süße Nacht!
Nimm mit deinem Zauberdunkel 5
Diese Welt von hinnen mir,
Daß du über meinem Leben
Einsam schwebest für und für.
Nächtlich am Busento lispeln bei Cosenza dumpfe Lieder;
Aus den Wassern schallt es Antwort, und in Wirbeln klingt
es wieder!
Und den Fluß hinauf, hinunter ziehn die Schatten tapfrer
Goten,
Die den Alarich beweinen, ihres Volkes besten Toten.
Allzufrüh und fern der Heimat mußten hier sie ihn begraben, 5
Während noch die Jugendlocken seine Schulter blond umgaben.
Und am Ufer des Busento reihten sie sich um die Wette,
Um die Strömung abzuleiten, gruben sie ein frisches Bette.
In der wogenleeren Höhlung wühlten sie empor die Erde,
Senkten tief hinein den Leichnam, mit der Rüstung, auf 10
dem Pferde.
Deckten dann mit Erde wieder ihn und seine stolze Habe,
Daß die hohen Stromgewächse wüchsen ans dem Heldengrabe.
Abgelenkt zum zweiten Male, ward der Fluß herbeigezogen:
Mächtig in ihr altes Bette schäumten die Busentowogen.
Und es sang ein Chor von Männern: “Schlaf in deinen 15
Heldenehren!
Keines Römers schnöde Habsucht soll dir je dein Grab
versehren!”
Sangen’s, und die Lobgesänge tönten fort im Gotenheere;
Wälze sie, Busentowelle, wälze sie von Meer zu Meere!