Wo wird einst des Wandermüden
Letzte Ruhestätte sein?
Unter Palmen in dem Süden?
Unter Linden an dem Rhein?
Werd’ ich wo in einer Wüste 5
Eingescharrt von fremder Hand?
Oder ruh’ ich an der Küste
Eines Meeres in dem Sand?
Immerhin! Mich wird umgeben
Gotteshimmel, dort wie hier, 10
Und als Totenlampen schweben
Nachts die Sterne über mir.
Ich hatte einst ein schönes Vaterland.
Der Eichenbaum
Wuchs dort so hoch, die Veilchen nickten sanft.
Es war ein Traum.
Das küßte mich auf deutsch und sprach auf deutsch 5
(Man glaubt es kaum,
Wie gut es klang) das Wort: “Ich liebe dich!”
Es war ein Traum.
Hoch am Himmel stand die Sonne
Von weißen Wolken umwogt,
Das Meer war still,
Und sinnend lag ich am Steuer des Schiffes,
Träumerisch sinnend–und, halb im Wachen 5
Und halb im Schlummer, schaute ich Christus,
Den Heiland der Welt.
Im wallend weißen Gewande
Wandelt’ er riesengroß
Über Land und Meer; 10
Es ragte sein Haupt in den Himmel,
Die Hände streckte er segnend
Über Land und Meer;
Und als ein Herz in der Brust
Trug er die Sonne, 15
Die rote, flammende Sonne;
Und das rote, flammende Sonnenherz
Goß seine Gnadenstrahlen
Und sein holdes, liebseliges Licht,
Erleuchtend und wärmend 20
Über Land und Meer.
Glockenklänge zogen feierlich
Hin und her, zogen wie Schwäne,
An Rosenbändern, das gleitende Schiff,
Und zogen es spielend ans grüne Ufer, 25
Wo Menschen wohnen, in hochgetürmter
Ragender Stadt.
O Friedenswunder! Wie still die Stadt!
Es ruhte das dumpfe Geräusch
Der schwatzenden, schwülen Gewerbe, 30
Und durch die reinen, hallenden Straßen
Wandelten Menschen, weißgekleidete,
Palmzweig-tragende,
Und wo sich zwei begegneten,
Sah’n sie sich an, verständnisinnig, 35
Und schauernd in Liebe und süßer Entsagung
Küßten sie sich auf die Stirne.
Und schauten hinauf
Nach des Heilands Sonnenherzen,
Das freudig versöhnend sein rotes Blut 40
Hinunterstrahlte.
Und dreimalselig sprachen sie:
“Gelobt sei Jesus Christ!”
Nach Frankreich zogen zwei Grenadier’,
Die waren in Rußland gefangen.
Und als sie kamen ins deutsche Quartier,
Sie ließen die Köpfe hangen.
Da hörten sie beide die traurige Mär’: 5
Daß Frankreich verloren gegangen,
Besiegt und zerschlagen das große Heer,–
Und der Kaiser, der Kaiser gefangen.
Da weinten zusammen die Grenadier’
Wohl ob der kläglichen Kunde. 10
Der eine sprach: Wie weh wird mir,
Wie brennt meine alte Wunde!
Der andre sprach: Das Lied ist aus,
Auch ich möcht’ mit dir sterben,
Doch hab’ ich Weib und Kind zu Haus, 15
Die ohne mich verderben.
Was schert mich Weib, was schert mich Kind!
Ich trage weit beßres Verlangen;
Laß sie betteln gehn, wenn sie hungrig sind,–
Mein Kaiser, mein Kaiser gefangen! 20
Gewähr mir, Bruder, eine Bitt’:
Wenn ich jetzt sterben werde,
So nimm meine Leiche nach Frankreich mit,
Begrab mich in Frankreichs Erde.
Das Ehrenkreuz am roten Band 25
Sollst du aufs Herz mir legen;
Die Flinte gib mir in die Hand,
Und gürt mir um den Degen.
So will ich liegen und horchen still,
Wie eine Schildwach’, im Grabe, 30
Bis einst ich höre Kanonengebrüll
Und wiehernder Rosse Getrabe.
Dann reitet mein Kaiser wohl über mein Grab,
Viel Schwerter klirren und blitzen;
Dann steig’ ich gewaffnet hervor aus dem Grab,– 35
Den Kaiser, den Kaiser zu schützen!